Reden wir über Medikamenten-Engpässe

Hunderte Arzneimittel sind derzeit in Österreich nicht oder nur eingeschränkt verfügbar – und die Herbst/Winter-Saison mit Ansteckungen durch Infektionen beginnt genau jetzt. Eine gute und aktuelle Übersicht gibt es von der AGES bzw. in der Liste Vertriebseinschränkungen von Arzneispezialitäten gesamt (basg.gv.at).  Menschen stehen vor leeren Apothekenregalen – selbst wenn sie das Rezept für ein “wichtiges Medikament” in der Hand haben. Manche trifft es dann besonders schwer, wenn die notwendigen Arzneimittel oft nicht verfügbar sind. Patient:innen müssen warten und die Pharmazeut:innen versuchen, alternative Medikationen zu finden. Laut einer aktuellen Studie macht sich mehr als jede:r Dritte Sorgen wegen der Lieferengpässe; Jede:r Sechste der Befragten gibt an, selbst betroffen zu sein.

Arzneimittel/Medikamente werden für die Vorbeugung, Behandlung und Diagnose von Krankheiten eingesetzt. Sie bestehen aus den aktiven Wirkstoffen und verschiedenen Hilfsstoffen. Arzneimittel existieren in unterschiedlichen Darreichungsformen, zum Beispiel als Tabletten, Kapseln, Salben, Tropfen und Injektionslösungen u.v.m. Insbesondere Antibiotika, Fieber- und Schmerzmittel, Medikamente gegen Asthma sowie Impfstoffe stellen den unverzichtbaren und essenziellen Basisbedarf dar. Die einzig wirksame Gegenmaßnahme ist  derzeit der Aufbau von nationalen Lagern für wichtige Medikamente.

Agieren statt reagieren

Die Österreichische Bundesregierung hat ein Maßnahmenpaket zur Beseitigung der Medikamentenengpässe (377/A(E)-BR/2023) geschnürt. Auch Österreich Apotheker:innen schreiten aktuell zur Tat und decken sich entsprechend mit Grundstoffen ein. Apotheker:innen können Arzneimittel wie Salben, Tropfen, Sirupe, Tinkturen, Zäpfchen, Kapseln oder Augentropfen nach individuellen Bedürfnissen der Patient:innen im apothekeneigenen Labor selbst herstellen. Man spricht hierbei von „magistralen Zubereitungen“. Die Anfertigung erfolgt nach ärztlicher Verschreibung, nach den Vorschriften des Arzneibuchs oder nach eigenen Rezepturen. Häufige Anwendungsbeispiele für magistrale Zubereitungen sind unter anderem Salben bei Hauterkrankungen oder Hustensäfte für Kinder.

Was wenn mein Medikament beim Apotheker nicht vorrätig ist?

Ein Lieferengpass ist kein Versorgungsengpass! Lieferengpässe von Medikamenten sind nichts Neues, die hat es immer schon gegeben. Für Betroffene ist es in vielen Fällen ärgerlich, für die Apotheken oft mit Mehraufwand verbunden. Bei rund 20% der Medikamente gibt es immer irgendwelche Lieferschwierigkeiten.

Das Problem: Wenn ein großer Hauptproduzent das Produkt nicht hat, können auch die kleinen Firmen den Engpass nicht auffangen, weil die Ware dann in Österreich einfach nicht vorhanden ist. 

Was sind die Ursachen? 

Es kann eine Rohstoffthematik sein, also ein fehlender Bestandteil des Arzneimittels. Oder wenn ein Mangel bei einer Charge in der Produktion aufgetreten ist, und die gesamte Charge verworfen werden muss, dann haben wir eine Versorgungslücke. Manchmal gibt es auch Engpässe beim Packmaterial wie z.B. bei Tuben. Oft dauert es dann Monate, bis sich die Versorgungslage bessert.

Hauptproblem Nr. 1

Weit über 80 Prozent der Medikamente werden aus Asien importiert, ein verschwindend kleiner Anteil in Europa oder Österreich. Daher befinden wir uns in einer großen Abhängigkeit, die nur auf politischer Ebene gelöst werden kann. Da die Arzneimittelwirkstoffe aus Kostengründen zunehmend dort hergestellt werden, besteht die Gefahr, dass die verhängten Sperren und Reisebeschränkungen Auswirkungen auf die Produktion und Lieferung von Wirkstoffen und damit auf die Verfügbarkeit von Arzneimitteln für den globalen Markt haben. Dass die länderübergreifende Solidarität in Krisenzeiten nämlich schneller weg ist, als uns lieb ist, hat die Corona-Pandemie gezeigt: Wir mussten um jede Maske und jede Schutzausrüstung kämpfen. Es wird Jahre dauern, bis wir große Wirkstoffmengen wieder in Europa produzieren können.

Hauptproblem Nr. 2

Durch den Zusammenschluss von Pharmaunternehmen werden gewisse Wirkstoffe zunehmend nur mehr von einem Unternehmen hergestellt und das oft auch nur mehr an einem einzigen Ort. Fällt dort die Produktion aus, fehlt das entsprechende Arzneimittel auf dem gesamten Weltmarkt. In diesem Fall muss, soweit möglich, auf ein wirkstoffalternatives Ersatzpräparat ausgewichen werden. Auch die Warnungen der Generika-Hersteller vor weiteren Lieferengpässen sind nicht unbegründet.

Wie helfen Apotheker:innen?

Apothekenteams versuchen die Situation für die Patienten tragbar zu machen, indem sie selbst aktiv werden und – nach Absprache mit dem/der Arzt/Ärztin des Patienten – nach Ersatzmedikamenten suchen, andere Apotheken kontaktieren und es dann von dort beschaffen können. Laut Umfrage verbringen Pharmazeuten im Schnitt zwei Stunden am Tag damit, so an die fehlenden Medikamente zu kommen. Und jede Umstellung der Medikamente, auch wenn der Wirkstoff identisch ist, stellt für viele Patient:innen eine Herausforderung dar. Plötzlich ist die blaue Tablette rot und die längliche rund.

Die Folge: falschen Einnahme der Medikation! Selbst wenn sich jetzt jemand große Sorgen macht, ist es sinnvoll, zunächst im Gespräch mit dem Arzt zu klären, ob diese Sorgen wirklich berechtigt sind und welche Handlungsoptionen es im Einzelfall gibt.

 

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Bild: Samariterbund