Reden wir über “Long Covid”

Die WHO hat für Europa die Zahl von 36 Millionen Menschen kommuniziert, die unter Folgen einer Long-Covid-Erkrankung leiden bzw. gelitten haben. Frauen haben ein um 56 Prozent erhöhtes Risiko, auch länger als drei Monate dauernde Komplikationen nach einer Covid-19-Erkrankung zu leiden. Die mit zumindest zwei Teilimpfungen erfolgte Immunisierung gegen SARS-CoV-2 verringert hingegen diese Gefahr jedoch um 43 Prozent. Das ist das Ergebnis einer Meta-Analyse der wissenschaftlichen Literatur durch britische Wissenschaftler. Studienergebnisse zeigen, dass Menschen, die auch lange nach einer Corona-Infektion noch Gesundheitsprobleme haben, ein breiteres Spektrum an Symptomen aufweisen als bisher angenommen. Ein Forscherteam fand nun neue Long-Covid-Anzeichen. Worauf sollten Sie insbesondere achten und wie können Sie sich behandeln lassen.

Der Bedarf an Anlaufstellen und Versorgung ist riesengroß und bei der Versorgungslage in Österreich ist, diplomatisch ausgedrückt, noch extrem viel Luft nach oben. Oft glaubt man, nach einer gut überstandenen Covid-Infektion, sei man über den Berg und könne schon bald wieder in den Alltag zurückkehren. Selbst Monate nach einer Corona-Infektion leiden viele Genesene an Spätfolgen die als Long Covid bezeichnet werden, wenn sie länger als 28 Tage anhalten. Long-Covid-Kranke sind mit ganz unterschiedlichen gravierenden Symptomen konfrontiert. Dabei gilt es insbesondere auf gesundheitliche Veränderungen zu achten, die man als ungewöhnlich empfindet. Manche Betroffene seien aus ihrem Berufsleben herausgerissen. Einige könnten sich Monate nach der eigentlichen Erkrankung nicht mehr richtig konzentrieren und zum Beispiel Texte nicht mehr verstehen. 

65 Millionen leiden an Long Covid

Das Spektrum der Symptome ist vielfältig – die Schwere variiert: Nach einer Corona-Infektion kann es zu länger andauernden Beschwerden kommen, zusammengefasst unter dem Begriff Long Covid. Laut einer neuen Überblicksstudie in der Fachzeitschrift “Nature Reviews Microbiology” folgt Long Covid auf mindestens zehn Prozent der Covid-Infektionen. Das heißt, dass inzwischen weltweit ungefähr 65 Millionen Menschen unter Corona-Spätfolgen leiden. Im Zusammenhang mit Long Covid laufen weltweit Millionen Menschen Gefahr, eine „Covid-Lungenfibrose“ zu entwickeln. Ein Forschungsteam hat nun einen Ansatz für eine Therapie gefunden.

Häufig genannte Anzeichen

Ein Forschungsteam aus Seattle wertete 54 Studien mit Daten aus 2020 und 2021 aus. Mittlerweile seien mehr als 200, oft unterschiedlich schwer auftretende Symptome identifiziert worden:

  • chronische Müdigkeit (Fatigue-Syndrom)
  • Konzentrationsprobleme, Erinnerungslücken (kognitive Störungen)
  • Kopfschmerzen
  • Herzprobleme, Herzrasen, Brustschmerzen
  • Luftnot, Kurzatmigkeit
  • Angststörungen
  • Depression
  • Verlust des Geruchssinns
  • Haarausfall
  • Minderung der Libido
  • Erektionsstörungen
  • Brustschmerzen
  • Fieber
  • Amnesie
  • Darminkontinenz
  • Halluzinationen
  • Schwellungen der Gliedmaßen
  • Apraxie – die Unfähigkeit, vertraute Bewegungen oder Befehle auszuführen
  • stärkere Periode
  • u.v.m.

Wer hat das höchste Risiko für Long-Covid?

Die Wissenschaftler haben mit ihren Ergebnissen aber nicht nur die Liste der Long-Covid-Symptome um weitere Faktoren ergänzt, sondern auch wichtige demografische Gruppen und Verhaltensweisen ausfindig machen können, die ein erhöhtes Risiko in sich tragen. Dass Rauchen und Fettleibigkeit dazu gehören, ist bereits bekannt. Aber auch andere Faktoren wie das biologische Geschlecht und die ethnische Zugehörigkeit scheinen eine Rolle zu spielen, erklärt Anuradhaa Subramanian, Hauptautorin der Studie. Außerdem sollen auch Frauen, Jüngere und BIPoC sowie Menschen aus weniger wohlhabenden Verhältnissen oder mit bereits bestehenden Gesundheitsproblemen häufiger an Long Covid erkranken. Dass Frauen öfter betroffen sind als Männer erklärt sich Subramanian damit, dass sie mitunter häufiger unter Autoimmunkrankheiten leiden. Es bleibe damit die Frage, ob Autoimmunität oder andere Ursachen bei ihnen das erhöhte Risiko erklären.

Long Covid bei Kindern

US-Forscher haben im Rahmen einer internationalen Studie nun Hinweise dafür gefunden, wann an Corona erkrankte Kinder einem höheren Risiko ausgesetzt sind, auch nach Monaten noch an Symptomen zu leiden. Etwa 10 Prozent der Kinder, die mit Corona ins Krankenhaus eingeliefert wurden, meldeten nach 90 Tagen also Anzeichen auf Long Covid. Gleichzeitig ergab die Untersuchung aber, dass auch Kinder, die aus anderen Gründen als Corona im Krankenhaus waren, ähnliche Merkmale aufwiesen. Auch von ihnen litten etwa 5 Prozent noch drei Monate später an Müdigkeit, Konzentrationsschwierigkeiten oder Bauchschmerzen.

Wohin gehen wenn ich Anzeichen habe?

Meistens ist der Hausarzt die erste Anlaufstelle für Patienten mit Verdacht auf Long COVID. Zur Abklärung wird ein interdisziplinäres Assessment mit anderen Fachgruppen vorgeschlagen, zum Beispiel, wenn bestimmte Symptome dominieren. In einer Übersichtsarbeit analysierten Forscher des Austrian Institute for Health Technology Assessment (AIHTA) in Wien (Österreich) aktuelle Managementstrategien von Long-COVID-Patienten in den Gesund­heitssystemen von Großbritannien, Niederlande, Deutschland, Österreich und den USA. Zur Stärkung des Selbstmanagements der Patienten mit Long COVID empfehlen die Studienautoren Bewegungstherapien, Ernährungsberatung, Stressabbau oder die Teilnahme an Long-COVID-spezifischen Onlineprogrammen.

Stufen von Covid

Viele verwechseln die Begriffe „Long-Covid“ und „Post-Covid“. Laut Definition des britischen National Institute for Health and Care Excellence (NICE) gilt:

  • Akute Covid Erkrankung: Symptome und akute Erkrankung bis zu vier Wochen nach der Infektion.
  • Weiterbestehende Covid-Erkrankung: Symptome vier bis zwölf Wochen nach der Infektion.
  • Post-Covid: Symptome ab zwölf Wochen nach der Infektion.
  • Long-Covid: Symptome ab vier Wochen nach der Infektion. Also der Zeitraum nach der akuten Covid-Erkrankung, dieser schließt die weiterbestehende Covid-Erkrankung und Post-Covid ein.

Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?

Bisher gibt es nach wie vor keine Therapie, die die Ursache von Long Covid behandelt. Laut Experten werde es aufgrund der sehr unterschiedlichen Krankheitsverläufe und Symptomausprägungen auch in Zukunft nicht die eine Therapieform geben.  Die Behandlung muss individuell an die Symptome der erkrankten Person angepasst werden. Eine Atemtherapie wird beispielsweise eingesetzt bei Kurzatmigkeit, Physiotherapie zum Aufbau von Kraft und Ausdauer, Logopädie bei Patientinnen und Patienten mit Sprech- und Schluckbeschwerden. Zur Verbesserung der Wahrnehmung in Armen und Händen eignet sich Ergotherapie. Während bei manchen Betroffenen ein vorsichtiges Steigern des Aktivitätslevels helfen kann, ist bei Long Covid-Erkrankten mit Belastungsintoleranz das Gegenteil der Fall. Hier kann die sogenannte Pacing-Strategie zum Einsatz kommen, bei der sich die Betroffenen schonen und Kräfte richtig einteilen, indem sie auf den eigenen Körper hören.

Erste Long-COVID-Selbsthilfegruppe in Österreich

Das Interesse ist groß. Die Mitglieder der Long Covid Austria – Patienteninitiative, Selbsthilfegruppe und Verein sind zwischen 20 und 40 Jahre alt. Es geht vor allem darum, über das Erlebte zu sprechen, sich gegenseitig bei der Genesung zu unterstützen und fachliche Informationen zu sammeln. Auch die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) plant Anlaufstellen für diese „Long-Covid“-Patienten und -Patientinnen. Auch gibt es ein Post Covid/Long Covid – Selbsthilfegruppe in der Steiermark.

Studie liefert Basis für künftige Froschung

Eine wesentliche Stärke der Studie ist der große Stichprobenumfang und der Vergleich mit einer Kontrollgruppe. Trotzdem ist noch vieles unklar. Die bisher identifizierten Long-Covid-Symptome auf der Liste sind extrem breit gefächert und können nicht ausschließlich durch Risikofaktoren des Lebensstils oder chronische Gesundheitszustände erklärt werden. Dennoch sollen die identifizierten Gesundheitsprobleme nach einer Corona-Erkrankung Medizinern bei der Beurteilung von Long-Covid-Patienten helfen. Die Studienergebnisse bieten eine gute Basis, um die Symptombelastung zukünftig besser bewältigen zu können.

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Quellen

 

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